„Wenn Behandlungsfehler passieren, werden nicht nur Patientinnen und Patienten geschädigt. Es entstehen auch enorme Kosten im Gesundheitssystem, weil Folgeuntersuchungen, erneute Operationen und Nachbehandlungen notwendig sind. Daher muss es gesundheitspolitisches Ziel sein, die Patientensicherheit zu verbessern“, sagt Dr. Stefan Gronemeyer, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Bund. Eine wichtige Maßnahme wäre die Verpflichtung der Ärztinnen und Ärzte und anderer Gesundheitsfachkräfte, Patientinnen und Patienten umgehend zu informieren, wenn bei einer Behandlung etwas schiefgelaufen ist. Zudem sollten systematische Präventionsmaßnahmen umgesetzt werden. Voraussetzung dafür wäre ein obligatorisches, sanktionsfreies Meldesystem für vermeidbare Schadensereignisse, sogenannte Never Events.
Medikamenten- und Seitenverwechslungen, vergessenes OP-Material im Patienten
In der Jahresstatistik 2024 stuften die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes 134 Fälle (2023: 151) als sogenannte Never Events ein. Dazu gehören schwerwiegende Medikationsfehler, unbeabsichtigt im Körper zurückgebliebene Fremdkörper nach Operationen oder Verwechslungen von Patientinnen und Patienten, die zu schweren Schäden führen können. Immer wieder stellt der Medizinische Dienst in seinen Gutachten die gleichen folgenschweren Fehler fest. „Wenn solche Fehler geschehen, dann bestehen Risiken im Versorgungsprozess, denen systematisch nachgegangen werden muss, um sie in Zukunft zu vermeiden und so Schäden an Patientinnen und Patienten zu verhindern“, erklärt Gronemeyer.
Sanktionsfreies Meldesystem hilft Fehler zu vermeiden
Never Events sind für das Erkennen, Umsetzen und Bewerten von Sicherheitsmaßnahmen besonders wichtig und werden daher bereits in vielen Ländern erfolgreich für die Prävention genutzt. In Deutschland steht eine Umsetzung nach wie vor aus. International anerkannte Konzepte zur systematischen Fehlervermeidung sollten auch in Deutschland eingeführt werden. Die Meldung von Never Events dient ausschließlich der Verbesserung der Patientensicherheit. Sie muss für die Gesundheitsfachkräfte, die Schadensereignisse melden, sanktionsfrei und pseudonymisiert erfolgen. Das muss gesetzlich garantiert sein.
Gesundheitsökonomische Auswirkungen unsicherer Versorgung sind enorm
Die Begutachtungszahlen des Medizinischen Dienstes zeigen nur einen sehr kleinen Ausschnitt des tatsächlichen Fehlergeschehens. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher, da nach wissenschaftlichen Studien davon auszugehen ist, dass nur 3 Prozent aller vermeidbaren Schadensfälle nachverfolgt und statistisch erfasst werden.
Überträgt man die Ergebnisse internationaler Studien zur Patientensicherheit auf Deutschland, so werden jedes Jahr 5 Prozent der stationär behandelten Patientinnen und Patienten durch vermeidbare Behandlungsfehler geschädigt. Das wären mehr als 800.00 Betroffene. Die Kosten für erneute Eingriffe, Invalidität, Pflegebedürftigkeit oder gar Tod werden auf 15 Prozent der Krankenhauskosten geschätzt – das entspricht einem Betrag von 15 Milliarden Euro.
„Die ökonomischen Schäden durch vermeidbare unerwünschte Ereignisse und Fehler werden in Deutschland deutlich unterschätzt. Mehr Investitionen in Patientensicherheit sollten als Investition in Qualität, Effizienz und Vertrauen betrachtet werden. Das Unterlassen von Fehlervermeidung kostet ein Vielfaches – in Geld, aber vor allem in vermeidbarem menschlichem Leid“, erläutert Prof. Dr. Reinhard Busse, MPH, Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin.
Zur vollständigen Pressemitteilung des Medizinischen Dienstes Bund.